Mittwoch, 5. November 2014

Gastartikel: Ein elektronisches Schreiben an die Schweizerische Post

Guten Tag allerseits. Man kennt mich als den "Sprachbeschreiber". Ich bin meines Zeichens selbst Blogautor und darf hier und heute auf Herrn Goodspeeds Seite einen Beitrag mit Ihnen teilen.

Zürich, den 8.1.2014

Sehr geehrte Damen und Herren

Ihr neuer Slogan, so sah ich im World Wide Web, lautet ja: „Für die anspruchsvollsten Kunden der Welt“. Ich möchte im Folgenden unter Beweis stellen, dass ich dieser Anforderung durchaus gerecht werde. Ich wende mich mit einer geradezu drängenden Frage an Sie, die die inneren Abläufe in ihrem Unternehmen betrifft. Folgendes hat sich zugetragen: Zwei Freundinnen meinerseits unternahmen Anfang Januar eine sogenannte Generalabonnementsreise. Sie machten dabei Gebrauch vom einjährigen uneingeschränkten Recht aufs Zugfahren und innerhalb eines Tages Halt in Luzern,  Bellinzona, Schwyz, Zürich und Basel. Damit nun ich und meine WG-Kollegen ebenfalls, wenn auch selbstverständlich in eingeschränkter Weise, an der Tour teilhaben könnten, entschlossen sich die beiden zum Senden je einer Postkarte von jedem der genannten Orte aus an unsere Adresse in Zürich Albisrieden. Vier dieser fünf Karten trafen am selben Tag ein. Vier. Und zwar die Nummern 1 (aus Luzern), 2 (aus Bellinzona), 3 (Schwyz) und 5 (Basel). Und die Nummer 4, die Postkarte, die nur wenige Kilometer von ihrem Ziel entfernt – in Zürich selbst – abgeschickt worden war, traf doch tatsächlich einen Tag später ein als die anderen.

Ein kleiner Skandal, einmal davon abgesehen, dass zudem die ersten vier Karten nicht in der korrekten Reihenfolge aufeinander im Briefkasten lagen. Was, wenn mir auf diese Weise die Anweisungen zum Entschärfen eines mir umgeschnallten Sprenggürtels zugesandt worden wären, und ich wegen dieser unaufgeräumten Ungereimtheit, diesem Chaos der Chronologie, den fünften Schritt vor dem vierten vorgenommen hätte, und jämmerlich in die Luft geflogen wäre? Was, wenn ich den beiden Damen die Freundschaft gekündigt hätte, weil Anlass dazu gegeben war, sie als nicht zum korrekten Zählen fähig, folglich auf bedenkliche Art und Weise verblödet und infolgedessen als schlechten Einfluss einzustufen? Ich bin ganz und gar nicht erbost, falls Sie sich dieses Eindrucks nicht erwehren können. Der Grund für das Resultat dieser Postzustellungsserie interessiert mich allerdings so sehr, dass ich mich zu einer schriftlichen Informationsanfrage durchgerungen habe, wie Sie relativ eindeutig zu sehen imstande sein dürften. Die Frage lautet also: Gibt es einen bekannten Grund dafür, dass eine Postkarte aus der Zürcher Innerstadt nach Zürich Albisrieden einen Tag länger unterwegs ist als eine, die von Luzern, Bellinzona, Schwyz oder Basel nach Albisrieden verschickt wird? Und wenn nicht, welche Vermutungen werden durch Ihre Fachkenntnis nahe gelegt?

Ich möchte mich bei Ihnen bedanken. Zunächst im Voraus für das Lesen und eventuell das Beantworten meiner Anfrage. Und dann noch dafür, dass die Post mich durch diese Postkartenepisode an meine Identität als Schweizer erinnert hat, daran, dass ich Bürger und Bewohner eines Landes bin, wo man mit im internationalen Vergleich meist lächerlichen Problemen zu „kämpfen“ hat. Aber wer stuft schon gern die Grösse seiner Probleme herab, mit denen man doch Respekt und Mitleid heischen könnte?

Mit freundlichsten Grüssen

R. D.

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